Streetart auf die neuen Schuhe gemalt
Von Grevy Halle Zollstock, Eckhard Zeglin, Renate Geiter, Jörg Flachskamp With 0 KommentareZOLLSTOCK. „Mit Zollstock-Kultur kommt Frisches in unseren Stadtteil, der oft als vernachlässigt bezeichnet wird“, sagte Michael Siegenbruck, Inhaber des Spielzeug-Ladens MiSi am Höninger Weg. „Das hier erwarten die Leute nicht“, meinte er schmunzelnd beim Blick ins eigene Schaufenster.
Was ihm der Streetart-Künstler „xxxhibition“ zwischen die Auslagen gestellt hatte, waren nur vordergründig putzige Comic- und bunte Graffiti-Bilder: Dem japanischen Figürchen „Kitty“ hat eine Bombe den Kopf zerfetzt, der Peanuts-Snoopy hält auf dem Dach seiner wüst besprayten Hundehütte ein Nickerchen. Auch Schneewittchen ist dabei, sie posiert mit Darth Vaders Helm. Und der nordkoreanische und der US-amerikanische Präsident fliegen in Ufos durch ein Fantasy-Universum, in dem längst nicht alles so lustig ist, wie es auf den ersten Blick erscheint. „Das Bild mit der Erdogan-Karikatur haben wir auf Wunsch meiner Frau herausgenommen, wir wollen nicht riskieren, dass uns vielleicht jemand deshalb die Scheibe einwirft“, erklärte Siegenbruck.
In der Halle Zollstock am Gottesweg waren Künstler aus Japan, Rumänien und Deutschland bei Betreiberin Ellen Muck zu Gast. Ela Thiel etwa verband ihre Vorliebe für Süßes mit politischen Aussagen und hatte aus Esspapier eine Mauer gebaut, die die Besucher einreißen und wegknabbern sollten.
Viel Zuspruch von den Bewohnern erfuhren die Skulpturen aus Olivenholz von Eckhard Zeglin im ASB-Seniorenzentrum Zollstockhöfe. „Als ich meine Arbeiten aufbaute, fuhren einige ältere Herrschaften mit ihren Rollatoren drumherum und fassten sie an. Bis zu 700 Jahre alt ist das Rohmaterial des Künstlers aus Sülz, der über die Plattform „Grevy! Kunst für alle“ zur vierten Auflage des Zollstock-Kulturwochenendes stieß. Die Holzrohlinge von Olivenbäumen, die keine Früchte mehr tragen, kauft Zeglin bei Bauern in Italien und Griechenland.
Historische Aufnahmen von Zollstock und angrenzenden Stadtteilen projizierte Tobias Arens im Büro des Allgemeinen Bürgervereins am Kalscheurer Weg an die Wand.
Heiterkeit löste Tante Minna aus, die 1935 Erzieherin im Kindergarten Heilig Geist war. „Die hatte bestimmt einen Rohrstock hinterm Rücken“, frotzelten einige ältere Betrachter, die sich bei alten Fotos von Schulen erinnerten, wie streng es früher in Bildungseinrichtungen zuging.
Was früher Turnschuhe mit Gummisohle waren, sind heute coole Chucks. Wer ein Paar der angesagten Treter bei Quick-Schuh erwarb, konnte sie sich verschönern lassen: Henning Hüttner, in seinen „wilden Jahren“ Streetart-Künstler, heute Diplom-Designer, verzierte die Chucks mit Edding-Stiften und nach Kundenwünschen: mit Graffiti-Logos, Namen, Comic-Helden oder abstrakten Gebilden.
Musikalische Unterhaltung war ebenfalls Teil des vierten Zollstock-Kulturwochenendes. Von sanften Bossa-Nova bis hin zu Klangcollagen reichte die Bandbreite, aber auch die Slam-Poetry von Jacob Eckstein gehörte zum Programm. Der Verein Zollstock-Kultur hatte sein Versprechen im Programmheft, die Besucher könnten an elf Kulturorten „Überraschendes, Fremdes und Vertrautes“ erleben, jedenfalls voll eingelöst.
Bericht von ULRIKE WEINERT für Kölnische Rundschau am 17. Oktober 2017
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