Das Drama der Auflösung
Von Renate Renate Geiter, Kölner Stadtanzeiger, Kunst, Kultur, Cityart, Ausstellung, Jürgen Kisters With 0 KommentareInnenstadt -
Renate Geiter ist eine der vielseitigsten Malerinnen in der Kölner Kunstszene. Das liegt nicht zuletzt an zwei Fähigkeiten. Zum einen beherrscht sie die figürliche und gegenständliche Anatomie mit größter Sicherheit. Zum anderen ist sie nicht auf einen bestimmten Stil festgelegt, sondern offen für jedes motivische und malerische Experiment. Eine kleine Ausstellungs-Retrospektive in der Galerie daneben bringt diese Vielfalt zum Ausdruck. Jedes einzelne Bild führt in einen andere Welt, die im Erleben ganz unterschiedliche Dimensionen entfaltet. „Ich male Stimmungen, male seelische Befindlichkeiten“, sagt Renate Geiter.
Bei aller Sicherheit, mit der sie Pinsel und Farben handhabt, zeigt sich, dass jedes einzelne Bild für sie eine Reise ins Unbekannte dargestellt. Sie will nicht wiederholen, was sie bereits viele Male zuvor auf ähnliche Weise gemalt hat. Vielmehr will sie beim Malen die vielen feinen Nuancen ihrer Empfindungen erkunden, mit denen sie der Welt abwechselt sicher und ängstlich, fremd und vertraut, euphorisch und empfindlich gegenüber steht. Jeden dieser Aspekte kann man in ihren verschiedenen Bildern wiederfinden. Aber auch alle zusammen in einem einzigen Gemälde mit dem Titel „Verlassenheit“. Das Bild macht einen komplexen psychischen Zusammenhang sichtbar, der wie ein Traumgeschehen erscheint. Die Verlassenheit ist in eine grüngraue Farbigkeit getaucht. Stege und Eisenbahnschienen führen in eine unbekannte Tiefe und enden im Meer der Unendlichkeit. Lampenmasten und ihre Spiegelungen symbolisieren die Trostlosigkeit der Kultur, in der der Mensch Halt und Orientierung verloren hat.
Die Baumgerippe im Vordergrund bringen den Hauch von Unheimlichkeit und Tod in die Szenerie. Zwischen den Ästen wuchert das Drama der Auflösung aller Gestalten. Klein und versteckt erscheinen die vagen Körperschemen zweier Liebender zwischen sinnlicher Verführung, Nähe-Verlangen und Illusion. Poesie und diffuse Farbverwischungen, Trauer und Melancholie, Verwirrung und Einsamkeit bestimmen dieses Szenerie, in der allein der Horizont die Möglichkeit eines Auswegs andeutet. Anders gesagt: Wer sich auf Renate Geiters Bilder einlässt, wird unweigerlich Dinge über sich selbst erfahren, von denen er zum Teil nicht einmal wusste, dass sie in ihm steckten. Ähnlich ist es der Künstlerin im Prozess des Malens ergangen. „Ein Bild ist fertig, wenn ich Feuer fange und ein Prickeln verspüre“, erklärt Renate Geiter.
Sie weiß, dass Brüche und kleine Ungenauigkeiten ebenso zur Präzisierung des Gefühls beitragen wie malerische Verschwommenheiten. Im Gemälde einer „Schlucht“ verbindet sie auf meisterliche Weise gegenständliche Landschaftsdarstellung und die Auflösung der Naturerfahrung im Abstrakten. Man hört, man sieht und man spürt das tosende Wasser, die Felsen und den Wind in der Schlucht. Besser kann man nicht zum Ausdruck bringen, wie Dinge in der äußeren Welt und die Bewegungen unserer Innenwelt zusammenhängen. Das Bild „Schwimmbad“ zeigt eine undurchdringliche grau-türkise Oberfläche, die sich ins Unermessliche weitet, wenn man begreift, das sich dort Wasser und Himmel berühren.
Galerie daneben, Lindenstraße 99, geöffnet Fr 16-20 Uhr, Sa 16-18 Uhr, bis 5. April
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